Die richtige Ernährung hält uns dauerhaft schlank, sportlich und gesund. Im Fitness-Lifestyle spielt die Ernährung deshalb eine besondere Rolle.

Heutzutage gibt es allerdings eine Unmenge an Ernährungs-Konzepten: Vollwert, Vegan, Paläo, Vegetarisch, Clean-Eating, Rohkost. Diese Liste könnte noch erweitert werden um verschiedene Diät-Strategien wie Atkins, Trennkost, Low-Carb, Keto-Diät, IIFYM, Intermittent-Fasting, High-Carb-Low-Fat, Raw-Till-4, 80-10-10, Carb-Cycling. Wie soll da noch jemand durchblicken? Und was ist tatsächlich die gesündeste Ernährungsweise?

Die Vollwert-Ernährung

Die altbewährte, aber leider etwas in Vergessenheit geratene Vollwert-Ernährung (engl. whole food diet) hat die besten Argumente für die gesündeste Ernährungsweise auf ihrer Seite. Darüber hinaus orientiert sie sich an ökologischen und nachhaltigen Aspekten.

Das Prinzip der Vollwert-Ernährung kann mit Werner Kollath (1892-1970) folgendermaßen auf den Punkt gebracht werden:

Lasst unsere Nahrung so natürlich wie möglich

Geschichte der Vollwert-Ernährung

Im Zuge der Industrialisierung entstanden während des 19. und 20. Jahrhunderts Techniken, die eine starke Verarbeitung von Lebensmitteln ermöglichten. Es gab einen regelrechten Chemie-Boom, durch den sich die Ernährungs- und Lebensgewohnheiten stark veränderten. Die haltbare Milch, Auszugsmehle, der Rübenzucker und die Erfindung der Margarine fallen in diese Zeit. Zugleich etablierte sich auch die Schulmedizin und die Pharmaindustrie.

Diese Entwicklung rief allerdings Gegenbewegungen auf den Plan, die man allgemein als Lebensreform bezeichnet. In der Lebensreform suchte man eine natürliche Lebensweise wiederherzustellen. Daraus gingen unter anderem die Naturheilkunde, der Vegetarismus, die Freikörperkultur und die Anthroposophie hervor. Auch wandte man sich neuen religiösen und spirituellen Konzepten zu.

Im Geiste der Lebensreform wurden von Ärzten der Naturheilkunde Diät-Konzepte mit natürlichen und vegetarischen Lebensmitteln entworfen. Einer der späteren war Maximilian Bircher-Benner (1867-1939), der Erfinder des Müslis. Weiterentwickelt wurde die Idee der Frischkost, Vitalstoffe und Vollwert-Ernährung im 20. Jahrhundert u.a. von Werner Kollath, Hans Adalbert Schweigart (1900-1972), Max Otto Bruker (1909-2001) und Johann Georg Schnitzer (*1930). Schnitzer entwickelte übrigens die berühmte Bosch-Getreidemühle System Schnitzer mit Steinmahlwerk aus dem Jahr 1975, die ich von meiner Großmutter geerbt habe. 🙂

Bosch Getreidemühle System Schnitzer aus dem Jahr 1975
Bosch Getreidemühle System Schnitzer aus dem Jahr 1975

Inzwischen hat die Vollwert-Ernährung ihr Image als Alternativ-Ernährung abgelegt. Zu verdanken ist dies den Arbeiten von Koerber, Männle und Leitzmann, die das Konzept der Vollwert-Ernährung auf eine zeitgemäße wissenschaftliche Basis stellten. So spricht heute auch die DGE von „vollwertiger Ernährung“ und empfiehlt als Basis eine pflanzliche Kost mit wenig Fleischkonsum, wenig verarbeiteten Produkten und eine schonende Zubereitung.

Grundsätze der Vollwert-Ernährung

Die Vollwert-Ernährung definiert heute sieben Grundsätze, wie unsere tägliche Nahrung beschaffen sein sollte (nach Koerber/Männle/Leitzmann 2006):

  1. genussvoll und bekömmlich
  2. überwiegend pflanzlich
  3. bevorzugt gering verarbeitet
  4. ökologisch erzeugt
  5. regional und saisonal
  6. umweltverträglich verpackt
  7. fair gehandelt

Punkt 1: genussvoll und bekömmlich

In erster Linie soll uns das Essen schmecken. Dieser Punkt darf nicht unterschätzt werden. Denn nur wenn uns eine Ernährungsweise gut tut und Spaß macht, werden wir sie langfristig durchhalten können. Aus diesem Grund machen auch einseitige Diäten keinen Sinn. Irgendwann möchte man wieder abwechslungsreicher essen und schon kommt der Jojo. Dann lieber die Ernährung so gestalten, dass man sie langfristig durchhalten kann. Zudem soll die Ernährung an individuelle Unverträglichkeiten wie Laktose- oder Fruktose-Intoleranz angepasst sein.

Punkt 2: überwiegend pflanzlich

Empfohlen wird eine überwiegend pflanzliche Kostform mit Milchprodukten (lakto-vegetabil). Durch viel Obst, Gemüse und Getreide erhält der Körper ausreichend Ballaststoffe. Der Begriff Ballaststoffe ist allerdings etwas irreführend, denn Ballaststoffe „belasten“ die Verdauung nicht. Eine bessere Bezeichnung ist Faserstoffe oder unverdauliche Polysaccharide. Diese sorgen insgesamt für eine bessere Sättigung, Zahn- und Darmgesundheit, einen gleichmäßigen Blutzuckerspiegel und einen verminderten Blutcholesterinspiegel. Allerdings entfalten Faserstoffe ihre volle Wirkung nur in Verbindung mit anderen Nährstoffen, die von Obst, Gemüse und Korn mitgeliefert werden. Anstelle von Säften oder Auszugsmehlen sollte die ganze Frucht oder das volle Korn verzehrt werden. Aus diesem Gedanken leitet sich auch der Name „Vollwert“-Ernährung und „Whole“ food ab.

Die pflanzliche Ernährung kann vegetarisch oder vegan durchgeführt werden, aber auch mit mäßigem Verzehr von Fleisch, Fisch und Ei. Dies kann man nach den eigenen Vorlieben gestalten. Wer allerdings als Veganer auf sämtliche tierische Erzeugnisse verzichtet, sollte seine Vitamin B12-Zufuhr sicher stellen.

In meinen Blog-Beiträgen stelle ich eine vegetarische Variante der Vollwert-Ernährung mit Milchprodukten und Ei (ovo-lakto-vegetabil) vor.

Punkt 3: bevorzugt gering verarbeitet

Hohe Naturbelassenheit und umgekehrt ein niedriger Verarbeitungsgrad zeichnen vollwertige Lebensmittel aus. Sobald Lebensmittel verarbeitet werden, verlieren sie wichtige Vitalstoffe. So enthält Auszugsmehl weniger Faserstoffe als Vollkornmehl und wird zudem durch Erhitzung haltbar gemacht, wodurch weitere Nährstoffe verloren gehen. Mit jedem weiteren Produktionsschritt gehen mehr Vitalstoffe verloren. Aber auch lange Lagerung und Tiefkühlung wirkt sich negativ auf die Nährstoffdichte aus. Frische, unverarbeitete und naturbelassene Lebensmittel hingegen haben einen höheren Gesundheitswert, da sie mehr Nährstoffe und Vitalstoffe enthalten.

Naturbelassene Lebensmittel sind auch gesünder, weil ihnen keine Zusatzstoffe hinzugefügt werden. Viele verarbeitete Produkte hingegen enthalten Zusätze wie Aromen, Geschmacksverstärker, Farb- und Konservierungsstoffe. Zudem werden zur Verarbeitung von Lebensmitteln technische Hilfsstoffe eingesetzt, die nicht auf der Verpackungsrückseite stehen. Zwar gibt es gesetzliche Vorschriften zur Verwendung solcher Zusätze, dennoch ist fraglich, ob sie nicht allergische Reaktionen oder toxische Wechselwirkungen mit anderen Stoffen verursachen.

Verarbeitete Lebensmittel enthalten auch weitere Zusätze wie Zucker, gehärtete Fette, Sirup und Malzmehl. Dadurch steigt bei der Verarbeitung oft die Kaloriendichte, während die Nährstoffdichte sinkt. In diesem Fall spricht man von „leeren“ Kalorien. In der Vollwert-Ernährung werden diese leeren Kalorien vermieden. Sie ist daher besonders für eine kalorienreduzierte Diät geeignet.

Lebensmittel verlieren beim Kochen vermehrt Vitamine und andere Vitalstoffe. Daher sollte etwa die Hälfte der täglichen Nahrung aus unerhitzter Frischkost bzw. Rohkost wie Obst, Gemüse, Frischkorn, Kräuter, Nüsse und Rohmilch bestehen. Die andere Hälfte setzt sich aus Lebensmitteln zusammen, die erhitzt werden müssen wie Kartoffel oder Hülsenfrüchte, hinzu kommen erhitztes Gemüse und erhitztes Getreide, Milchprodukte, Eier, Fleisch und Fisch.

Insgesamt orientiert sich an diesem Grundsatz der Vollwert-Ernährung auch das Clean-Eating-Konzept, das seit neuestem unter Veganern hoch im Kurs steht.

Punkt 4: ökologisch erzeugt

Auch die ökologische Erzeugung ist ein Grundsatz der Vollwert-Ernährung. Im Sinne der Nachhaltigkeit sollen Lebensmittel ressourcenschonend hergestellt werden. Die ökologische Landwirtschaft schont Boden, Luft und Wasser und trägt zum Erhalt der Artenvielfalt bei.

Auch begünstigen ökologisch erzeugte Lebensmittel die eigene Gesundheit. So sind Bio-Lebensmittel deutlich weniger mit Nitrat belastet. In der Tierhaltung ist der Einsatz von Hormonen verboten und Antibiotika kommen nur unter strengen Auflagen zum Einsatz.

Punkt 5: regional und saisonal

Regionale und saisonale Lebensmittel sind ebenfalls gut für die Umwelt. Wenn Lebensmittel regional verkauft werden, haben sie kürzere Transportwege hinter sich. Gerade Obst und Gemüse mit kurzer Lagerzeit konnte voll ausreifen, enthält damit mehr Vitamine und schmeckt auch aromatischer. Wer zudem saisonal einkauft, unterstützt den Anbau auf Freiland. Ware aus dem Treibhaus oder Folientunnel muss sehr energieintensiv produziert werden. Die CO2-Emmisionen liegen hier bis zu 100mal höher.

Die besten regional-saisonal erzeugten Lebensmittel findet man direkt beim Erzeuger auf dem Wochenmarkt. Auch Projekte der Solidarischen Landwirtschaft ermöglichen den direkten Bezug beim Landwirt.

Punkt 6: umweltverträglich verpackt

Verpackungsmüll kann man in unserer Gesellschaft leider nicht vermeiden. Bei Lebensmitteln gibt es einen direkten Zusammenhang zwischen Verarbeitung und Verpackungsaufwand. Je stärker ein Produkt verarbeitet ist, desto notwendiger wird die Verpackung. Konserven beispielsweise kommen ohne Verpackung nicht aus. Unverarbeitete und vollwertige Lebensmittel wie Obst und Gemüse, Nüsse, Eier oder Getreidekörner brauchen eigentlich gar keine Verpackung. Wenn diese Lebensmittel lose angeboten werden, kann man beim Kauf zur Abfallverminderung beitragen.

Punkt 7: fair gehandelt

Für eine nachhaltige Entwicklung braucht es außerdem faire Handelsbeziehungen, um die Ausbeutung ärmerer Länder zu verhindern. Gerade Lebensmittel stellen eine wichtige Einnahmequelle der sogenannten „Entwicklungsländer“ dar. Allerdings ist nur der Export von Rohstoffen wie Kakao- und Kaffeebohnen und Ölsaaten zollfrei. Die wertschöpfende Verarbeitung bleibt so den reichen Industrieländern vorbehalten, während die Entwicklungsländer am unteren Ende der Wertschöpfungskette stehen. Zugleich werden durch politische Maßnahmen gezielt Weltmarktpreise für Agrarprodukte gedrückt. Mit fallenden Preisen ist zugleich die Existenz der Landwirte in Entwicklungsländern gefährdet. So kommt es schließlich zu weiterer Ausbeutung und noch mehr sozialer Ungerechtigkeit.

Dieser Kreislauf muss durchbrochen werden. Auch die Vollwert-Ernährung beinhaltet als übergeordnetes Ziel faire Wirtschaftsbeziehungen. Der Verbraucher kann durch den Kauf fair gehandelter Produkte humanere Arbeitsbedingungen und bessere Bezahlung in den Entwicklungsländern unterstützen.

Die Vollwert-Ernährung als Fitness-Ernährung

Die Vollwert-Ernährung eignet sich gut als Sport- und Fitness-Ernährung. Sportlich aktive Menschen brauchen mehr Vitamine und Mineralstoffe. Engpässe können vor allem bei Vitamin A, C, E, B6 und den Mineralstoffen Magnesium, Calcium, Zink und Eisen entstehen. Hochwertige Fettquellen, frisches Obst und Gemüse, sowie Kartoffeln, Hülsenfrüchte und Getreideprodukte sorgen für eine hohe Nährstoffzufuhr.

Bei der Makronährstoffverteilung gilt allgemein für Kraftsportler in der Trainingsphase in etwa folgende Empfehlung:

  • Kohlenhydrate >50-55% (5-8g/kg Körpergewicht)
  • Fett <30-35%
  • Eiweiß 12-15% (0,8-1,2g/kg).

Die Ernährung ist also kohlenhydratbetont und fettreguliert. Mit einer vegetarischen oder sogar veganen Vollwert-Kost lässt sich dies problemlos umsetzen.

Sowieso braucht man keine Angst zu haben, seinen Eiweißbedarf nicht decken zu können. Beim Eiweiß hilft viel nicht unbedingt viel. Wer bereits mehr als 0,8g pro kg Körpergewicht am Tag verzehrt, kann Muskelmasse aufbauen. Bei Kraftsportlern im hohen Leistungsbereich geht man von einem Bedarf von 1,2g bis maximal 1,7g aus. Und Frauen haben sogar 10 bis 20 % weniger Bedarf. Eine Eiweißzufuhr, die 2,0g übersteigt, bringt jedenfalls keinen zusätzlichen Muskelzuwachs. Im Gegenteil: Überschüssiges Eiweiß wird genauso wie Kohlenhydrate oder Fett zur Energiegewinnung oder eben Einlagerung sprich Fettansatz genommen. Eine zu stark erhöhte Proteinzufuhr belastet außerdem die Nieren durch vermehrte Harnstoffbildung. Am besten für den Muskelaufbau ist eine ausbalancierte Ernährung mit viel Kohlenhydraten und mäßig Fett als Energielieferanten. Das zugeführte Eiweiß wird so nicht im Energiestoffwechsel verheizt, sondern kann für den Muskelaufbau verwendet werden.

Fazit

Die Vollwert-Ernährung ist ein gutes Konzept für eine gesunde und abwechslungsreiche Kost. Sie kann sowohl vegetarisch, vegan als auch mit mäßigem Verzehr von Fleisch und Fisch durchgeführt werden. Die Vollwert-Ernährung folgt dem aktuellen wissenschaftlichen Kenntnisstand. Sie eignet sich sowohl für Nicht-Sportler als auch für Sportler. Mit vielen Kohlenhydraten und mäßig Fett kann der Energiebedarf im Kraftsport ausreichend gedeckt werden. Da der Eiweiß-Bedarf für Muskelaufbau geringer ist als oft angenommen, kommt es mit einer pflanzlich betonten Ernährung nicht zu Engpässen.

Quellen