Weizen macht krank und dick – eine Behauptung, die man so nicht unterschreiben sollte. Schon seit einigen Jahren kann man den Trend beobachten, dass Weizen als etwas Ungesundes dargestellt wird. Auch in der Fitnessszene ist Weizen relativ unbeliebt, er gilt als Dickmacher. Befeuert von einer größer werdenden (realen oder eingebildeten) Weizen-Unverträglichkeit in der Bevölkerung liegen jetzt alternative Getreidesorten wie Dinkel, Emmer, Kamut, Hirse und Quinoa im Trend – obwohl diese teilweise selbst Weizenarten (Dinkel, Emmer, Kamut) und damit nicht glutenfrei sind. Ein lukrativer Absatzmarkt von Nischenprodukten lassen Marketingversprechen der Gesundmachergetreidesorten wie Pilze aus dem Boden sprießen. Und abnehmen kann man angeblich auch, wenn man auf Weizen verzichtet.
Dieser Beitrag erklärt, was am Weizen-Bashing dran ist und warum man als gesunder Mensch weiterhin Weizen essen kann, ohne davon krank, süchtig oder dick zu werden.
Weizen ist besser als sein Ruf
Zunächst einmal ist Weizen ein Getreide wie jedes andere auch. Die Zusammensetzung der Makronährstoffe ist kohlenhydratbetont, mit etwas Protein und ein wenig Fett. Folgende Übersicht gibt einen guten Vergleich zwischen den verschiedenen Getreidesorten:
Getreidesorten (pro 100g)
Kalorien Eiweiß Fett Kohlenhydrate
Weizen 297 10,6 1,8 59,5
Hafer 326 9,9 7,1 55,7
Dinkel 338 12 2,7 62
Roggen 293 8,8 1,7 60,7
Gerste 314 10,4 2,1 63,3
Mais 323 8,5 3,8 64,2
Hirse 350 9,8 3,9 68,8
Reis 345 7,2 2,2 74,1
Amaranth 370 14,6 8,8 56,8
Buchweizen 336 9,1 1,7 71
Quinoa 335 13,8 5 58,5
Allein von den Kalorien her betrachtet unterscheidet sich Weizen kaum von anderen Getreidesorten. In einem Ernährungsplan, der Kalorien und Makronährstoffe erfasst, macht es also nur einen geringen Unterschied, ob man Weizen oder eine andere Getreidesorte isst.
Weizen enthält wichtige Mikronährstoffe: Kalium, Calcium, Magnesium, Vitamin A, E, B1, B2 und B6. Er sättigt und liefert Energie. Als Vollkorn verzehrt sorgen die Ballaststoffe in den Randschichten des Korns für eine gesunde Verdauung.
Zöliakie oder: Wenn Weizen zum Problem wird
Allerdings kann Weizen bei der sogenannten Zöliakie zum Problem werden. Weizen enthält das berühmt-berüchtigte Gluten, ein Klebereiweiß. Als Seitan kommt Weizeneiweiß bzw. Gluten in vegetarischen Fleischersatzprodukten und -gerichten zum Einsatz. Menschen mit Zöliakie vertragen Gluten nicht. Bei ihnen führt der Verzehr von glutenhaltigem Getreide zu entzündeten Dünndarmschleimhäuten. In solch einem Fall sollte auf glutenhaltige Getreidesorten verzichtet werden.
Das betrifft allerdings nur diejenigen Leute, bei denen eine Zöliakie tatsächlich vorliegt. Für Gesunde macht es eigentlich keinen Sinn, Gluten in der Ernährung zu vermeiden. Warum dennoch immer mehr Menschen berichten, sie vertrügen kein Gluten, ohne an einer Zöliakie zu leiden, ist bisher wissenschaftlich nicht geklärt.
Wer den Verdacht hat, an einer bisher unentdeckten Zöliakie zu leiden, kann seinen Getreidekonsum beobachten. Zur eindeutigen Abklärung muss man allerdings einen Arzt konsultieren, der eine Glutenunverträglichkeit ausschließen oder feststellen kann.
Gluten spielt beim Abnehmen keine Rolle
Für die Fitness und fürs Abnehmen ist es nicht entscheidend, ob man Gluten zu sich nimmt oder nicht. Wenn einem der Geschmack egal ist, macht es keinen Unterschied, ob man morgens Haferflocken oder Weizenflocken isst. Auch Dinkelpizza hält nicht schlanker als Pizza aus Weizenmehl. Gluten ist kein Dickmacher und Getreidesorten wie Dinkel und Hafer enthalten genauso Gluten wie Weizen. Wenn man also auf „Fitness“-Rezepte stößt, in denen Alternativen zu Weizen als Schlankmacher angeprießen werden, kann man getrost die Zutaten durch eine Getreidesorte der Wahl ersetzen. Es wird anders schmecken, zunehmen wird man davon aber nicht.
Die zwei folgenden Listen mit glutenfreien und glutenhaltigen Getreidesorten können einen guten Überblick geben und einige Missverständnisse von nett gemeinter Lifestyle-Ernährung aus der Welt schaffen.
Folgende Getreidesorten sind glutenfrei:
- Amaranth
- Hirse (Teff)
- Mais
- Reis
- Buchweizen
- Quinoa
- etc.
Folgende Getreidesorten enthalten Gluten:
- Weizen
- Gerste
- Hafer
- Roggen
- Dinkel
- Grünkern
- Emmer
- Kamut
- etc.
Weißmehl vs. Vollkornmehl – der feine Unterschied
Aus einem mir nicht ersichtlichen Grund treibt ein unsterblicher Mythos sein Unwesen. Dieser Mythos besagt, dass Weißmehl dem Weizen gleichzusetzen ist. Erst neulich habe ich beim Bäcker (!) nach einem Vollkornbrot gefragt (ich habe keine Sorte genannt). Als Antwort bekam ich zu hören: „Also dieses Brot hier ist Dinkel-Vollkorn und jenes ist ohne Weizen…“ – puh! Ein Weizenvollkornbrot hätte es auch getan…
Eigentlich handelt es sich bei der Frage nach Vollkorn und nach Weizen um zwei unterschiedliche Kategorien. Der Mahlgrad des Mehles (fein bzw. Weißmehl, grob bzw. Vollkorn) und die Getreidesorte (Weizen, Dinkel, Roggen, Emmer, Mais, etc.) sind zwei paar Schuhe. Wenn man beides in einen Topf wirft, ist das so, als würde man Äpfel mit Birnen vergleichen. Man kann ein Weizenbrot aus Vollkornmehl kaufen, genauso aber auch ein Dinkelbrot, das ausschließlich mit Weißmehl gebacken wurde. Ich persönlich würde in diesem Fall das Weizen-Vollkornbrot vorziehen, auch wenn Dinkel schicker klingt.
Die Vollkornvariante ist in Sachen Fitness und Gesundheit die bessere Wahl. Aufgrund des höheren Ballaststoffanteils hält Vollkorn länger satt. Auch enthalten die Randschichten des Korns wichtige Nährstoffe, die beim Ausmahlen zu Weißmehl verloren gehen.
Verarbeitete Weizenprodukte als Problem
Warum können Leute, die auf Weizen in ihrer Ernährung verzichten, von Abnehmerfolgen berichten? Ganz einfach aus dem Grund, weil Weizen in verarbeiteten Lebensmitteln allgegenwärtig ist. Dabei ist jedoch nicht der Weizen an sich das Problem, sondern die ungesunde Komposition von Zutaten, zu denen leider oft auch viel Zucker und Fett gehören.
Man muss sich nur einmal die zahlreichen Weizenprodukte im Supermarkt vor Augen führen: Süßes Gebäck, Kekse, Kuchen, Pizza, Brot usw. Nur im seltensten Fall enthalten diese Produkte 100% Vollkornmehl, sehr wohl aber Weißmehl, viel Zucker, Salz und sonstige geschmacksverstärkende Zutaten. Der Verarbeitungsprozess hat den Geschmack als Opfer und wenn es nicht richtig schmeckt, wird man unzufrieden und isst mehr.
Inzwischen sehe ich in Bioläden immer mehr Fertigprodukte, die z.B. mit Dinkel hergestellt werden. Das macht sie nicht gesünder. Kalorien sind Kalorien und Weißmehl bleibt trotz des Dinkels eben Weißmehl. Eine sättigendere Wirkung kann man sich von Dinkel nicht erhoffen und Gluten enthält es auch (wobei letzteres den meisten Leuten eigentlich auch egal sein kann).
Meine Empfehlung: Weizen als Vollkorn bevorzugen und selbst backen
In Hinblick auf Fitness und Abnehmen sind nicht Weizenprodukte das Problem, sondern die Verarbeitung von Lebensmitteln generell, fehlende Gewürze und die mangelnde Frische. Man kann sagen, Essen dieser Art ist lieblos, da es nicht selbst gemacht ist.
Wer hingegen selbst backt und kocht, verzichtet auf den langweiligen Industrie-Cocktail. Man bestimmt, was ins Essen kommt, es schmeckt frisch, hat mehr Geschmack und hält allein deshalb schon länger satt. Und wer selbst backt, der kann ganz einfach Vollkornmehl verwenden und so die Sättigungswirkung noch einmal mehr erhöhen. Der Fitness-Trick ist also gar nicht das Rezept ohne Weizen, sondern das Rezept überhaupt – egal ob mit oder ohne Weizen.